Interessanter Text auf Facebook von Ingar Solty, Referent für Friedens- und Sicherheitspolitik bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Ein guter Hinweis darauf, in welcher Richtung man nicht suchen muss, wenn man die Verantwortlichen für die gegenwärtige Kriegstreiberei identifizieren will:

»Seit einigen Jahren kommt 1-2x jährlich die Führungsakademie der Bundeswehr mit Stabsoffizierslehrgangsteilnehmern zur Rosa-Luxemburg-Stiftung, um sich die linke Perspektive auf Fragen der Außen-, Friedens- und Sicherheitspolitik anzuhören und zu diskutieren.
Wir sind in der Regel die einzige politische Stiftung, die besucht wird, die anderen Besuchstermine in Berlin sind normalerweise das Verteidigungs- oder Außenministerium, die DGAP oder SWP oder dergleichen. Die Sache ist mittlerweile so etabliert, dass sie von mehreren Führungskräften der Bundeswehr fortgesetzt worden ist.

Beim ersten Mal war das alles noch ungewohnt, an der Stelle des typischen Dresscodes in der Rosa-Luxemburg-Stiftung, den ich mal als zivil-punkig-unprätentiös beschreiben würde, plötzlich vier Dutzend Militäruniformträger zu sehen. Mittlerweile ist das aber fast schon Routine.

Auch heute war das nun der Fall. Zwei Lehrgänge mit rund 50 Offizieren plus auch einige hochrangigere waren da. Vor ihnen habe ich die bzw. meine linke Positionierung dargelegt zu Russlands Krieg in der Ukraine, seinen Ursachen, seiner Vorgeschichte und seinem Verlauf, zu Waffenlieferungen, Sanktionen, der Aufstockung der Bundeswehr-Kontingente im Rahmen der NATO-battlegroups, zur "Zeitenwende" und dem 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr, zur Gefahr einer Eskalation des Kriegs in der Ukraine und zur Weltkriegsgefahr, zu den langfristigen Weltordnungskonsequenzen und zu linken Alternativen zur herrschenden Politik.

Nun werdet Ihr denken: Wenn jemand, der den "Appell" gegen das 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr (mit-)initiiiert und als Sachverständiger der Linksfraktion bei der öffentlichen Anhörung im haushaltspolitischen Ausschuss im Deutschen Bundestag die Ablehnung dieses Sondervermögens begründet hat, diese Position nun gegenüber den Offizieren und hochrangigen Militärs der Bundeswehr zu verteidigen hat, dann kann das nicht vergnügungssteuerpflichtig sein. Ggf. sollte man meinen, dass es da hoch hergeht und dass dies die letzte Veranstaltung dieser Art ist.

Faktisch aber ist das Gegenteil der Fall: Es waren sehr engagierte dreieinhalb Stunden, in denen sich fast jeder Offizier mit Argumenten — das Bildungsniveau und die Argumentationsfähigkeit ist durchweg sehr hoch — eingeschaltet hat. Die Bereitschaft, sich mit der linken Kritik auseinanderzusetzen, ist bei den Bundeswehrsoldaten, die die Offizierslaufbahn eingeschlagen haben, — ich übertreibe nicht — sehr viel höher ausgeprägt als in der ganzen Bandbreite der Fernseh-, Rundfunk-, Zeitschriften- und Zeitungsredaktionen in Deutschland, in denen ich als Linker in den letzten Wochen zwar immer wieder eingeladen worden bin, aber es — zugespitzt gesagt — eine viel militaristischere und illiberaler/antipluralere Haltung gibt als in der Bundeswehr selbst. Mit anderen Worten: Juli Zeh, Alexander Kluge, Andreas Dresen und Alice Schwarzer hätten von dieser Seite weniger Verbalattacken zu befürchten, als von den meisten Redakteuren zwischen "taz" und FAZ, zwischen ZEIT und NZZ. Die Bereitschaft, abwägend, zweifelnd, dialektisch Reaktion und Gegenreaktion, Dilemmata und nichtintendierte Konsequenzen zu denken, d.h. realistisch über Außen-, Friedens- und Sicherheitspolitik nachzudenken, ist hier viel stärker ausgeprägt als bei den ganzen liberalen Bildungseliten, die nach dem Einjahreskurs in Immunologie jetzt den Zehnwochenkurs in moralischer Außenpolitik belegt haben, bevor sie sich dann in Kürze als Kolumbien-, Pakistan- oder Frankreichexperten betätigen.
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