📰 𝑾𝒊𝒓 𝑪𝒐𝒓𝒐𝒏𝒂𝒗𝒆𝒓𝒔𝒂𝒈𝒆𝒓

Vor gut zwei Jahren, wir steckten gerade zwischen zwei Coronawellen, schrieb ich hier in einer Kolumne, dass sich viele Menschen nach immer härteren Maßnahmen sehnten, um die verdammte Pandemie endlich einzudämmen. Mich eingeschlossen. Ich schrieb: »Die autoritäre Versuchung ist groß. Ich entdecke den Diktator in mir.«

Viele Deutsche hielten damals China für ein Musterbeispiel effizienter Coronabekämpfung. Zigtausende unterstützten Initiativen wie ZeroCovid, forderten ein Durchgreifen der deutschen Politik, einen radikalen Shutdown, ein Runterfahren von Wirtschaft und öffentlichem Leben.

Tatsächlich wurden viele Freiheiten stark eingeschränkt. Es gab, Sie werden sich erinnern, Ausgehverbote, Kontaktverbote, Reiseverbote. In Bayern: Ausgangsbeschränkungen am Tag und in der Nacht. In Hamburg: Outdoor-Maskenzwang auf Joggingstrecken. In Berlin durfte man nicht mehr auf einer Parkbank sitzen.

𝐈𝐧𝐳𝐰𝐢𝐬𝐜𝐡𝐞𝐧 𝐰𝐢𝐬𝐬𝐞𝐧 𝐰𝐢𝐫, 𝐝𝐚𝐬𝐬 𝐞𝐢𝐧𝐢𝐠𝐞 𝐂𝐨𝐫𝐨𝐧𝐚𝐦𝐚ß𝐧𝐚𝐡𝐦𝐞𝐧 𝐧𝐢𝐜𝐡𝐭 𝐧𝐮𝐫 𝐟𝐫𝐚𝐠𝐰ü𝐫𝐝𝐢𝐠 𝐨𝐝𝐞𝐫 𝐮𝐧𝐬𝐢𝐧𝐧𝐢𝐠 𝐰𝐚𝐫𝐞𝐧, 𝐬𝐨𝐧𝐝𝐞𝐫𝐧 𝐚𝐮𝐜𝐡 𝐫𝐞𝐜𝐡𝐭𝐬𝐰𝐢𝐝𝐫𝐢𝐠.

Das Brandenburger Verfassungsgericht hat gerade entschieden, dass das sogenannte kommunale Corona-Notlagegesetz gegen die Landesverfassung verstieß, weil es die Gewaltenteilung aushebelte. Geklagt hatte die AfD-Fraktion, die sich jetzt als Verfassungsheldin aufspielen kann, ausgerechnet.

Im Nachhinein ist es erschreckend, wie leicht die Freiheitsrechte suspendiert wurden.

Auch die ganztägige Ausgangssperre in Bayern hätte es so nicht geben dürfen: »Unverhältnismäßig«, urteilte mittlerweile das Bundesverwaltungsgericht. Weitere Rechtsstreitigkeiten wegen Coronamaßnahmen laufen noch; die Mühlen der Justiz mahlen langsam.

Nun ist es hinterher immer leicht zu sagen, was besser gewesen wäre. Doch was mich im Nachhinein umtreibt, ist, wie leicht die Freiheitsrechte in unserer angeblich so liberalen Gesellschaft suspendiert wurden. Der Firnis der Zivilisation ist diesbezüglich offenbar dünner, als ich glaubte. Ist Freiheit für die Deutschen doch nur ein Schönwetterkonzept, wie der Göttinger Staatsrechtler Frank Schorkopf vor einigen Tagen auf SPIEGEL.de fragte?

Zur Demokratie gehören Kontrolle und Gegengewicht; gerade in Krisenzeiten kommt es darauf an. In der Pandemie hat das nicht gut funktioniert. In Berlin regierte die Große Koalition mit üppiger Mehrheit, in den Bundesländern dominierte lange Zeit Team Vorsicht von Markus Söder (CSU) in Bayern bis Peter Tschentscher (SPD) in Hamburg.

Zu wenige widersprachen, als die Politik vor drei Jahren erstmals Schulschließungen anordnete und dann über Monate immer wieder verlängerte: kein Bundesverfassungsgericht, keine Nationale Akademie der Wissenschaften, kein Deutscher Ethikrat, kein Christian Drosten. Was, wie ich heute sagen würde, ein Riesenversäumnis war.

𝐔𝐧𝐝 𝐰𝐢𝐫 𝐌𝐞𝐝𝐢𝐞𝐧, 𝐚𝐮𝐜𝐡 𝐰𝐢𝐫 𝐛𝐞𝐢𝐦 𝐒𝐏𝐈𝐄𝐆𝐄𝐋, 𝐝𝐢𝐞 𝐰𝐢𝐫 𝐮𝐧𝐬 𝐠𝐞𝐫𝐧 𝐚𝐥𝐬 𝐯𝐢𝐞𝐫𝐭𝐞 𝐆𝐞𝐰𝐚𝐥𝐭 𝐛𝐞𝐭𝐫𝐚𝐜𝐡𝐭𝐞𝐧? 𝐈𝐜𝐡 𝐟ü𝐫𝐜𝐡𝐭𝐞, 𝐝𝐞𝐫 𝐃𝐢𝐤𝐭𝐚𝐭𝐨𝐫 𝐢𝐧 𝐮𝐧𝐬 𝐰𝐚𝐫 𝐳𝐢𝐞𝐦𝐥𝐢𝐜𝐡 𝐬𝐭𝐚𝐫𝐤.


Quelle:
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/verbote-in-der-corona-pandemie-wir-corona-versager-kolumne-a-7bdd915e-d9db-4daf-8b09-21fbe49c533a
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