Ein Prozess der Kulturverödung

Machen wir uns nichts vor, die Wahrnehmung von Gefühlen bei anderen Menschen leidet enorm, wenn man vom Gesicht nur die Augen sieht. Darüber waren wir uns vor der durch Corona bedingten Maskenpflicht einig, und wer ehrlich die Formen der Kommunikation in der Öffentlichkeit mit und ohne Masken vergleicht, der bemerkt auch schnell, dass dieses Defizit sich in einer insgesamt schlechteren Stimmung, in Missverständnissen und Teilnahmslosigkeit niederschlägt. Wenn wir die Freude oder auch die Angst, die Erschöpfung und die frohe Erwartung beim anderen nicht wahrnehmen, kann sie sich nicht übertragen und wir können nicht emotional und mitmenschlich reagieren. Nicht alles, was ein Gesicht zeigt, lässt sich in Worte fassen, ganz zu schweigen davon, dass für Worte oft die Gelegenheit und die Zeit fehlt, wo ein verständnisvolles und aufmunterndes Lächeln immer möglich sind.

Die sozialen und psychischen Folgen des Verzichts auf das offene Gesicht können nicht gemessen werden wie Inzidenzen oder Belegungszahlen in Krankenhäusern, aber sie können dramatisch und langfristig sein, und sie können unsere Gesellschaft unumkehrbar verändern. Es kann Kipppunkte geben, hinter denen Solidarität und Mitgefühl mit den anderen unwiederbringlich verloren gehen – wenn wir nämlich vergessen haben, was wir uns nie richtig bewusst gemacht haben: wie wichtig der Anblick eines freundlichen Gesichts für die seelische Gesundheit ist.

Auch für die Veranstalter, die Kinos und Theater, die Konzert- und Sportveranstalter kann bald ein Kipppunkt erreicht werden, zumal, wenn das Publikum sich langfristig an Alternativen gewöhnt. Bevor es allmählich zurückkehrt, könnten viele Orte des gemeinsamen Erlebens schon geschlossen sein. Die Wiedereinführung der Maskenpflicht kann einen Prozess der Kulturverödung unumkehrbar machen, dessen Konsequenzen unabsehbar sind.

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