Forwarded from Jessica Hamed
#grundrechte #bundesverfassungsgericht #corona

Benjamin Stibi, mein geschätzter wissenschaftlicher Mitarbeiter, hat in der #Welt seine Erfahrungen mit dem Bundesverfassungsgericht in der Corona-Krise geschildert und dabei das systematisch enttäuschende Verhalten in diesem Zusammenhang des BVerfG auf den Punkt gebracht:

„In der Corona-Krise glänzte das sonst so standhafte Gericht überraschenderweise aber vor allem mit einem: Zurückhaltung, fast schon Teilnahmslosigkeit.

Dass es nach eineinhalb Jahren Corona in Deutschland immer noch keine Hauptsacheentscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit der Corona-Maßnahmen gibt, liegt nicht an einem Mangel an Klägern. Vielmehr scheint Karlsruhe die Pandemie bewusst aussitzen und eine Entscheidung erst treffen zu wollen, wenn sich die politischen Gemüter abgekühlt haben.



Aufgrund der richterlichen Unabhängigkeit gehört es normalerweise nicht zum guten Ton, die Arbeit eines Gerichts öffentlich infrage zu stellen. Allerdings trägt das Bundesverfassungsgericht mit seinem Verhalten selbst zur Kritik bei. Wo es seine Prioritäten setzt, wurde daran deutlich, dass in der Jahresvorausschau 2021 kein einziges Verfahren gegen Corona-Maßnahmen aufgelistet war, und auch sonst hüllt sich das Gericht in Schweigen darüber, wann es gedenkt, über die zahlreichen Corona-Beschwerden zu entscheiden.



Wenn Bundesverfassungsgerichtspräsident Stephan Harbarth (schon aufgrund seines „Vorlebens“ als Politiker eine umstrittene Personalie) in einem Interview die Corona-Politik der Regierung verteidigt, wirft das bei den Beschwerdeführern nachvollziehbarerweise die Frage auf, wie unvoreingenommen man in Karlsruhe noch an die Beurteilung ihrer Anträge herangeht. Gerade die Beschlüsse zur Bundesnotbremse folgen überwiegend der einseitigen Argumentationslinie der Regierung.

Die Apathie von Deutschlands höchstem Gericht sollte Maßnahmenbefürworter und -gegner gleichermaßen enttäuschen. Denn in einer Zeit, in der die Exekutive von Angst getrieben die schwerwiegendsten Grundrechtseingriffe seit Bestehen der Bundesrepublik erlässt und die Parlamente lange Zeit nicht eingebunden hat, braucht es eine aktive Judikative, um für Rechtssicherheit zu sorgen.


Wie passt dieses zögerliche Verhalten also zu dem sonst so standhaften Bundesverfassungsgericht? Die banale Wahrheit ist, dass Karlsruhe grundsätzlich versucht, es allen möglichst recht zu machen und größere Aufreger zu vermeiden.

Dieses Muster deutet sich nun leider auch in der Pandemie an: Die Regierung konnte aufatmen, weil ihre Maßnahmen im Eilverfahren nahezu vollständig aufrechterhalten wurden, und die Kritiker meinten, zwischen den Zeilen lesen zu können, dass die Entscheidung in der Hauptsache differenzierter ausfallen würde. Manchmal braucht es aber keine Kompromisse, sondern Mut.“

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