Man könnte meinen, es stünde schlecht um die Demokratie, wenn sich trotz der breiten medialen Unterstützung und des Aufrufs reichweitenstarker Parteien und NGOs nur rund 300 Personen bei der Kundgebung am Ballhausplatz einfanden. Dass die Mobilisationskraft dieser Organisationen derart gering sein würde, hat überrascht. Offensichtlich konnten die vielen Initiatoren nicht einmal ihre eigenen Leute zur Teilnahme an der Kundgebung motivieren.

Glaubwürdigkeitsproblem: Der Kampf für die Menschenrechte

Es war ein trauriger Anblick. Trotzdem hielten die Redner ihre Ansprachen, als würden sie vor tausenden Menschen sprechen. Es mutete gelegentlich etwas peinlich an, wenn sie verkündeten, wie toll es sei, dass sich so viele hier eingefunden hätten.
Der Inhalt der Reden erinnerte an die Corona-Demonstrationen, nur einzelne Schlüsselwörter hätten ausgetauscht werden müssen. Es ging um den Schutz der Meinungsfreiheit, den Erhalt der Menschenrechte und vor allem um die Akzeptanz von Andersdenkenden, wobei mit Andersdenkenden diesmal ausgewählte Teile der Bevölkerung, wie Klima- und LGBTQAI+ Aktivisten und ähnliche gemeint waren. Die Rechten würden all das gefährden, hieß es. Ein Narrativ, das vielleicht noch vor fünf Jahren verfangen hätte. Nach der Corona-Zeit, in der die Regierungsparteien und die meisten Oppositionsparteien für die rigorose Einschränkung der Grundrechte stimmten, bewusst große Teile der Bevölkerung aus dem Sozialleben ausschlossen und eine beispiellose Hetzkampagne gegen Andersdenkende inszenierten, ging diese Erzählung ins Leere. Denn gerade die FPÖ hat in dieser Zeit urgrüne Positionen vertreten wie Selbstbestimmtheit, Gentechnikfreiheit, Grund- und Freiheitsrechte, Frieden und Neutralität – als würde die Politik Kopf stehen. Auf der Kundgebung zeigte sich deutlich die Doppelmoral mit erheblichen blinden Flecken gegenüber den eigenen demokratiegefährdenden Verfehlungen der letzten Jahre.
Es ist nicht glaubwürdig, gegen Diskriminierung aufzutreten, und gleichzeitig dazu aufzurufen, eine Gruppe zu diskriminieren. Einem Besucher stieß das sauer auf und er rief „IHR redet doch mit niemandem.“, Richtung Bühne. Auf Nachfrage erklärte er, er habe früher immer grün gewählt, bis er auf den Corona-Demos von Medien und Politik als „rechtsextrem“ diffamiert wurde. „Dort war ein breiter Querschnitt der Bevölkerung, wir haben alle gemeinsam, ungeachtet der Nationalität oder der politischen Haltung, für Grund- und Freiheitsrechte demonstriert. Und in den Medien hieß es nur, es wären lauter Rechtsextreme.“

All das ist mittlerweile wohl auch der breiten Bevölkerung aufgefallen, denn im Vorfeld der Demo hörte man vermehrt in der sonst eher politikfernen Blase die Bezeichnung "Regierungsdemo".

Ein starkes Zeichen für die Demokratie

Insofern wurde heute tatsächlich ein starkes Zeichen für die Demokratie gesetzt, indem die Menschen diesem unwürdigen Schauspiel, das an DDR-Zeiten erinnerte, fernblieben. Denn in einer Demokratie demonstriert man nicht Seite an Seite mit der Regierung gegen die Opposition. Etwas Undemokratischeres wäre kaum denkbar.
Demokratie bedeutet Herrschaft der Bevölkerung, ein Wettbewerb der besten Ideen, die sich im Diskurs beweisen und durchsetzen. Demonstrationen sind ein Grundrecht der Bevölkerung, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Sie richten sich gegen die Mächtigen, die Regierung. Dass dieses Grundrecht nun derart pervertiert und sogar dem Vizekanzler eine Bühne geboten wird, ist für echte Demokraten schwer zu ertragen. Die Demokratie braucht ein breites politisches Spektrum, nur so kann sie lebendig sein. Denn wenn alle dasselbe denken, wird insgesamt wenig gedacht.

(X-Link)
How to Make a Poster on Word