Zum Thema politische Justiz - Lesenswert

"... Zu oft „menschelt“ es jedoch im Gerichtssaal, die Richter urteilen auch gemäß ihrer Tagesstimmung und ihrer weltanschaulichen Ausrichtung. Dies ist besonders fatal, wenn es um Anklagepunkte geht, die ein Thema der aktuellen Politik betreffen. Wenn es etwa um eine Ordnungswidrigkeit im Zusammenhang mit einer Corona-Maßnahme geht, müssen Beklagte oft gegen doppelten Gegenwind anrennen. Nicht nur die Regeln selbst setzen sie ins Unrecht, auch die persönliche Angst der Richter vor Ansteckung und gegebenenfalls ihre Abneigung gegen „Querdenker“ können den Ausgang des Prozesses beeinflussen. Ganz abgesehen davon, dass Richter, die konträr zur Politik der Regierung geurteilt haben, nicht selten diffamiert und drangsaliert wurden. Justitia ist eben nicht grundsätzlich blind, oft ist sie eher einäugig. Auch die Urteilenden sind Menschen mit Defiziten, sie sind Kinder einer in den Wahn abdriftenden Zeit und — was erschwerend hinzukommt — auch Mediennutzer. (...)

Der Leser oder die Leserin möge sich einmal vorstellen, sie oder er säße auf dem Richterstuhl. Es ist Corona. Im Gerichtssaal herrscht Maskenpflicht. Zwischen Richterstuhl und den Tischen für die Staatsanwaltschaft sowie die Verteidigung sind Plexiglaswände aufgebaut. Die Beteiligten betreten den Saal. Zuletzt erscheint man als Richterin oder Richter, alle erheben sich, setzen sich. Und man hat selbst gehörig Angst vor dem Virus, vor der Ansteckung, vor den möglichen Folgen. Und vor einem sitzen nun Leute, ein Betroffener, dem vorgeworfen wird, die Maskenpflicht oder das Abstandsgebot vernachlässigt zu haben. Und ein Anwalt, der seinen Mandanten verteidigt und somit die Tat rechtfertigt. Und dann diese eigene Angst. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass es schwierig ist, als Richter die eigene Angst hintanzustellen. (...)

Die Richterin erwähnte, sie habe sich neulich die Spaziergänger einmal genauer angesehen, sie habe sich ein eigenes Bild machen wollen. Und sie sei erstaunt gewesen, ganz normale Menschen zu sehen, aber erkennbare Rechtsextreme seien nicht darunter gewesen. Ich fragte nach, ob sie diese denn erwartet hätte. Natürlich, antwortete sie schnell, überall höre man davon, alle diese Leute, die da so auf Demonstrationen gegen Corona gehen — ich unterbrach sie, „gegen Corona“ gehe eigentlich niemand demonstrieren, das bringe auch nicht viel, gegen ein Virus auf die Straße zu gehen — ja, ja, das sage man doch so, gegen die Maßnahmen halt, aber alle jedenfalls, die da auf die Straße gehen, die seien doch entweder Coronaleugner oder Reichsbürger oder Rechtsextreme. (...)

Die eigentlich klug wirkende Frau war voller Angst und Vorurteile und hatte ganz offensichtlich ein völlig verzerrtes Bild von den Realitäten. Und mir wurde klar, dass man als Anwalt und als Betroffener gegen die Angst und gegen die Vorurteile der Richterin oder des Richters ankämpfen muss, während sie oder er selbst gar nicht so sehr gegen seine Vorurteile ankämpft.

Das hat natürlich unweigerlich Auswirkungen darauf, wie in einem Fall entschieden wird.

In den Ordnungswidrigkeiten geht es meist um banale Vorgänge. Die Skandalisierung des Unspektakulären, das Eindringen der Staatsmacht in den privaten Raum, das macht das Unrecht hier aus."

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