Angefertigt hatte er den Text in seiner Freizeit, gemeinsam mit Maximilian Mayer, einem Politikwissenschaftler, der vor der Pandemie an der University of Nottingham in China lehrte und danach als Professor für Internationale Beziehungen und Technologiepolitik an die Uni Bonn wechselte. Das Gemeinschaftswerk wurde von den beiden Autoren in österreichische und deutsche Regierungskreise lanciert und später an die großen Epidemiologie-Institute in der Schweiz geschickt.

Die Universität Lausanne bekam Wind vom Wirken Kölbls. Sie forderte ihn auf, für seine privaten Projekte nicht die E-Mail-Adresse der Uni zu verwenden, und erinnerte ihn an seinen eigentlich Job neben der Doktorandentätigkeit: eine Stelle „als zu 30 Prozent beschäftigter, extern finanzierter Prüfer der Goethe-Sprachprüfungen für Deutsch an der Section d’allemand“. Sprachprüfer Kölbl wollte die Adresse aber unbedingt nutzen. Vielleicht weil sie ihm akademische Autorität verlieh?

Mitte März meldete sich dann das BMI bei Mayer und Kölbl, berief die beiden Exoten in die Expertengruppe, die Deutschlands Weg durch die Pandemie vorzeichnen sollte. Damit Kölbl hier ernst genommen wurde, musste der Teilzeit-Sprachprüfer offenbar als Forscher der Universität Lausanne verkauft werden.

„Ich wäre Ihnen allen sehr verbunden...“
Kölbl, der nun nur noch seine private E-Mail-Adresse verwenden durfte, hatte ein Glaubwürdigkeitsproblem. Auf seinen Wunsch hin setzte sich dann aber BMI-Staatssekretär Kerber persönlich bei der Universität Lausanne für Kölbl ein und bestätigte, dass Kölbl Teil des neuen Expertenteams ist.

Er lobte den Germanisten in höchsten Tönen, betonte seine Bedeutung und schrieb sechs Tage nach dem Aufbau der Gruppe, Kölbl habe „durch seine Mitarbeit bisher schon enorm wichtige Impulse setzen können“. Und weiter: „Ich wäre Ihnen allen sehr verbunden, wenn Herr Kölbl auch weiterhin mit seinen wissenschaftlichen Erfahrungen einen Beitrag leisten dürfte.“

Ein administrativer Mitarbeiter ohne wesentliche akademische Referenzen in einem deutschen Expertenteam zur Covid-19-Bekämpfung? Uni-Dekan Dave Lüthi aus Lausanne stufte die E-Mail aus dem deutschen Bundesministerium als Fake ein. „Wir halten die Nachricht für nicht glaubhaft“, schrieb er per Mail an Kerber in Bezug auf Kerbers Mail.
Screenshot Email Kölbl Kerber
Quelle: Screenshot

Der Dekan erinnerte den Staatssekretär an Kölbls Anstellung als Sprachprüfer. Kerber leitete die Mail umgehend an Kölbls Mitstreiter Mayer weiter, fragte damit ausgerechnet denjenigen, der Kölbl ins Team gebracht hatte: „Wie soll ich damit umgehen?“

Mayer antwortete: „Einfach bestätigen, das (sic!) die Email von Ihnen kommt. Die spinnen ja völlig. Typische Arroganz der etablierten Professorenschaft. Wie Otto Kölbl beschäftigt ist, hat mit seiner wissenschaftlichen Qualifikation und brillianten (sic!) Analysefähigkeit rein gar nichts zu tun.“ Das BMI bestätigte der Universität Lausanne die Echtheit der ersten Nachricht, Zweifel an der Expertise oder dem Background Kölbls kamen im Ministerium offenbar nicht auf.

All das geschah zu einem Zeitpunkt, an dem das Strategiepapier bereits fertiggestellt und als vertraulich abgestempelt worden war. Eine der zentralen Stellen: der vierte Absatz mit dem Titel „Schlussfolgerungen für Maßnahmen und offene Kommunikation“.

Darin wird gefordert, den „worst case“ zu verdeutlichen. Wörtlich heißt es: „Um die gewünschte Schockwirkung zu erzielen, müssen die konkreten Auswirkungen einer Durchseuchung auf die menschliche Gesellschaft verdeutlicht werden. … Viele Schwerkranke werden von ihren Angehörigen ins Krankenhaus gebracht, aber abgewiesen, und sterben qualvoll um Luft ringend zu Hause. Das Ersticken oder nicht genug Luft kriegen ist für jeden Menschen eine Urangst.“

Und weiter: „Kinder werden sich leicht anstecken, selbst bei Ausgangsbeschränkungen … Wenn sie dann ihre Eltern anstecken, und einer davon qualvoll zu Hause stirbt und sie das Gefühl haben, Schuld daran zu sein, weil sie z.B.
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