https://www.heise.de/tp/features/Kongress-bei-Warschau-Bekommt-Russland-eine-Exilregierung-7334105.html

„Ex-Duma-Abgeordnete, Regionalpolitiker und Beamte trafen sich zum "Kongress Freies Russland". Sie halten den bewaffneten Kampf gegen Putin für legitim. Andere Oppositionelle sind skeptisch, Staaten halten sich bedeckt.

Nach Angaben der polnischen Zeitung Rzeczpospolita haben die Oppositionellen eine "Erklärung zu den Grundsätzen der Verfassung eines freien Russlands" verabschiedet, auch sei über Gesetzesentwürfe in einem Russland nach Putin diskutiert werden.
Von Brisanz dürfte der Programmpunkt "Nationaler Widerstand gegen das Putin-Regime im In- und Ausland" sein. Wenn auch in der EU das nationalkonservativ regierte Polen neben Litauen als engagiertester Anwalt der bedrängten Ukraine und als scharfe Russland-Kritikerin gilt, so hielt sich die politische Führung doch zu diesem Kongress bedeckt.

Bekannteste Persönlichkeit des Kongresses und dessen Leiter war Ilja Ponomariow, der als einziger von 450 Duma-Abgeordneten im Jahr 2014 gegen die Annexion der Krim gestimmt hatte und seit 2016 in der Ukraine lebt. Der 47-jährige ehemalige Abgeordnete der Partei "Gerechtes Russland" gilt als umstritten, auch in den Reihen der russischen Opposition.
Ermordung von Daria Dugina begrüßt
Zum "Forum Freies Russland", das der ehemalige Schachweltmeister und Putin-Gegner Gary Kasparow zweimal jährlich im litauischen Vilnius abhält, war Ponomariow in diesem September nicht eingeladen. Kasparow und der ehemalige Gas-Oligarch Michail Chordokowski begründeten dies mit der Ablehnung von dessen Aufruf zum bewaffneten Kampf, nachdem Ponomariow die Ermordung von Daria Dugina, der Tochter des Kreml-Ideologen Aleksander Dugin begrüßt hatte.

Er sieht sich als Sprecher eine "Nationalen Republikanischen Armee", die den Anschlag ausgeführt haben soll. An der Existenz der Organisation wird gezweifelt, sicher ist jedoch, dass der 47-Jährige einen bewaffneten Umsturz im Kreml propagiert. Im August rief er die russische Bevölkerung zum Kampf gegen die Regierung von Wladimir Putin auf. Auch ist er bei der Aufstellung von Kampfeinheiten mit russischen Staatsbürgern in der Ukraine involviert.

Das Thema bewaffneter Widerstand soll auch sehr kontrovers auf der Tagung bei Warschau diskutiert worden sein, einschließlich der Frage, wie Putin entmachtet werden könne. Einige Teilnehmer sollen den Kongress vorzeitig verlassen haben, Emotionen habe auch ein "Lustrationsgesetz" ausgelöst, bei der nach einem Machtwechsel führende Persönlichkeiten (Politik, Justiz, Militär) auf ihre Vergehen untersucht werden sollen.
Beschluss: "Recht auf Revolte" nach Regeln der Genfer Konvention.(…)

Begründet wird dies, damit, dass "das Putin-Regime die Macht an sich gerissen habe". Ziel der "Widerstandsbewegung" sei ein "föderalistisches und demokratisches Russland". Viele der ehemaligen russischen Abgeordneten, die sich in Jablonna versammelten, betrachten die jüngsten Wahlen zur Duma als manipuliert, im Jahr 2016 schaffte es die liberale Opposition nicht mehr ins Nationalparlament. Ziel des Kongresses ist laut Ponomariow die Anerkennung der Gruppe als "Exilregierung" durch die Ukraine, danach sollten andere europäische Staaten folgen.
Via Twitter äußerten sich einige russische Oppositionelle kritisch. Dabei gibt es Stimmen, welche Ponomariow als Teil des Systems sehen, andere halten ihn für durchgeknallt. Ein weiterer Beleg dafür, wie zerstritten die Anti-Putin-Bewegung ist und wie sehr das gegenseitige Misstrauen ihr Verhältnis bestimmt. (…)“

▶️ Video zum zum "Kongress Freies Russland":

https://youtu.be/JOl0ek6Vaec
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