Eine persönliche Nachricht am Rande der grossen Ereignisse, die gerade die Welt beherrschen:

Gestern wurde bekannt, dass Michel Ciment im Alter von 85 Jahren gestorben ist. Wahrscheinlich kennt ihn hier in Deutschland niemand. Aber in Frankreich, wo ich studiert habe und insgesamt 12 Jahre gelebt habe, kannten ihn zumindest alle Filmfans. Er war einer der wichtigsten, französischen Filmkritiker und Leiter der Filmkritikzeitschrift "Positif". (Vor 28 Jahren hatte ich selbst eine Filmkritikzeitschrift mitgegründet, mit dem Namen "Zoo", die es heute noch gibt.) Michel Ciment war damals und ist heute eine grosse Referenz.

Deswegen war ich beeindruckt, als er 1996 zur Vorführung meines Kurzfilms in die Sorbonne Nouvelle kam. Ausserdem hatte ich auch mit ihm in einer sehr kleinen Gruppe drei Tage lang jeweils 12 Stunden die Filme von Joseph Losey in einem Pariser Vorort-Kino analysiert. Unvergesslich! Sein Ableben erinnert mich an ein Leben von mir, welches in Zeiten des Globalen Staatsstreichs weit weg erscheint.

Aber nein, wir lebten in der selben Welt. Er hat 2019 gesagt: "(In den 1960er Jahren) hatte man als Kritiker keine Angst, sich Feinde zu machen. Heute schrumpft die Filmkritik wie eine Kahmhaut. Die jungen Leute sind vorsichtiger. Vielleicht sind sie insgeheim neidisch auf eine Zeit, in der man sich mit dem Schwert austoben konnte. Ich hatte den Vorteil, dass ich als Dozent arbeitete und ein monatliches Gehalt erhielt. Das hat mich wirtschaftlich völlig unabhängig gemacht." (Le Monde)

Michel Ciment hat an der Universität Filmwissenschaft unterrichtet. Wenn dort dann auch Einfluss von Film-Unternehmen zu spüren gewesen wäre..., vielleicht hätte er so gehandelt, wie viele Jüngere heute... Aber vielleicht liegt es auch in der Persönlichkeit eines Menschen, sich die Freiheit zu nehmen... Danke, Michel Ciment!
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