Forwarded from Friedemann Däblitz
Strafrechts Prof. Putzke im Cicero zum Fall #Ofarim:
„Wenn der Tatvorwurf sich nicht beweisen lässt, ist Gil Ofarim freizusprechen. Wenn nach dem Stand der bisherigen Beweisaufnahme aber kein Freispruch im Raum steht, vielmehr die Verurteilungswahrscheinlichkeit fortbesteht, was Paragraf 153a StPO voraussetzt und was das Gericht bei seiner Erläuterung am letzten Hauptverhandlungstag auch deutlich zu erkennen gegeben hat, dann stehen das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung und die Schwere der Schuld einer Einstellung in diesem konkreten Fall klar entgegen

Zunächst ist daran zu erinnern, dass für solche Vorwürfe normalerweise das Amtsgericht zuständig ist. Die Staatsanwaltschaft hatte ihre Anklage ausnahmsweise an das Landgericht gerichtet unter Berufung auf Paragraf 24 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes mit dem Hinweis auf die „besondere Bedeutung des Falles". Das steht der Beseitigung des öffentlichen Interesses zwar nicht per se entgegen, erhöht aber zweifellos die Bedingungen, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung für beseitigt zu erklären.“

[…] Es ist nicht nachvollziehbar, wie das Gericht angesichts der Gesamtumstände zu der Auffassung kommen konnte, dass die Verhängung einer Kriminalstrafe allenfalls untergeordnete Bedeutung hat. Denn für die Strafbemessung ist besonders relevant die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat
Und diese sind immens: für den Hotelmanager, der als Antisemit gebrandmarkt und über die Landesgrenzen hinaus zur Hassfigur ausgerufen wurde, für das Hotel, das monatelang in den Schlagzeilen war, für die Mitarbeiter, die mit dem Hotel und dem Vorfall in Verbindung gebracht wurden, für den Ruf Deutschlands in der Welt, das mit einem besonders einprägsamen Fall von Antisemitismus in Verbindung gebracht wurde und weiterhin wird, weil sich das „Geständnis“ medial nicht gleichermaßen kraftvoll verbreiten wird wie der wohl erfundene Vorfall.“ [Hervorhebungen durch mich].


Anmerkung: Der Zentralrat der Juden hat ein Statement zum Geständnis von Gil Ofarim veröffentlicht. Darin heißt es abschließend:

Wir verurteilen das Verhalten von Gil Ofarim.
Er muss in jeder Hinsicht die Konsequenzen für seine Lüge tragen.


Das unterstreicht, dass das bestehende öffentliche Interesse an der Strafverfolgung nicht durch das Geständnis Ofarims ausgeräumt wurde. "In jeder Hinsicht" trägt dieser nun gerade nicht die Konsequenzen für seine Lüge.

Der Zentralrat der Juden schreibt auch: „Es ist richtig, bei einem Antisemitismusvorwurf auf der Seite des Betroffenen zu stehen, ihm beizustehen und die Antisemitismuserfahrung zunächst nicht in Frage zu stellen. Umgekehrt darf so ein Vorwurf niemals grundlos erhoben werden. Und das ist hier leider passiert.

Hier muss ich widersprechen. Es ist bei der Behauptung einer Straftat zunächst überhaupt nicht richtig, sich auf irgendeine Seite zu stellen. Denn genau hierdurch wird erst der große Schaden für alle unmittelbar und mittelbar Betroffenen erst möglich. Steht der Vorwurf einer Straftat im Raum sollte man weder für das angebliche Opfer, noch den angeblichen Täter Partei ergreifen. @RA_Friede
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