Aus Fehlern lernen? Nein: Verfehlungen benennen. Das sollte das erste Ziel der Aufarbeitung sein. (2/2->1)

Man konnte sich von Anfang an durch Nachdenken erschließen, dass die Ermittlung der „hinreichend gesicherten Grundlage“ und die damit begründeten Wertungen und Empfehlungen des RKI unter einem politischen Erwartungsdruck standen.

Dies konnte man als abstrakten Anhaltspunkt für eine unzureichende Aufgabenerfüllung bereits berücksichtigen. Es wurde - soweit ich das überblicke - von keinem Gericht auch nur angesprochen.

Dieser abstrakte Anhaltspunkt hätte sodann Anlass gegeben, auch den Blick für eine unzureichende Aufgabenerfüllung im Konkreten zu weiten. Dies hätte zB im Rahmen von mündlichen Verhandlungen durch Sachverständigeneinvernahme und Einvernahme der RKI-Verantwortlichen geschehen können. Das ist aber unterblieben.

Ein konkreter Anhaltspunkt für unzureichende Aufgabenerfüllung des RKI findet sich bereits in der Tatsache, dass das RKI in 2001 selbst angemahnt hat, die Effektivität von Nichtpharmazeutischen Interventionen (NPI) vor einer Pandemie zu klären.

Der dann 2016 aktualisierte Pandemieplan beinhaltete aber weiterhin eine lange Reihe von NPIs, deren Wirkungen nicht erforscht waren. Da das RKI selbst in der Verantwortung für die Behebung dieses Misstandes stand, war eine unzureichende Aufgabenerfüllung schon im Vorfeld der Covid-19 Pandemie belegt.

Diese nicht geheime Verfehlung des RKI hätte die Gerichte veranlassen sollen, selbst mit den Kriterien der evidenzbasierten Medizin zu prüfen, ob die politischen Entscheidungen auf systematisch-methodisch-wissenschaftlicher Grundlage beruhten. Dies ist auch dann möglich, wenn es nur wenig „Evidenz“ i.S.v. Studien, Daten und Fakten gibt.

In der Konsequenz wären Freiheitseinschränkungen, die nicht auf systematisch-methodisch ermittelter Grundlage beruhten, mangels tragfähiger Begründung aufzuheben gewesen.

- Fallzahlen und Inzidenzen im Allgemeinen
- sog. „exponentielles Wachstum“
- R-Wert
- Corona-Fallzahlen aus den Krankenhäusern
- Relevanz von prä- und asymptomatischen Übertragungen
- Gesetzliche Fehlanreize bei der Krankenhausfinanzierung

waren die angstmachenden Kennzeichen des Pandemiegeschehens, mit denen Maßnahmen begründet wurden. Deren verzerrender Einfluss auf die Gefahreneinschätzung hätte bei der juristischen Würdigung in Rechnung gestellt werden müssen.

Nach meiner - vom BVerfG abweichenden - Auffassung wurde der weite Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers mangels systematisch-methodischer Vorgehensweise schon bei der Gewinnung und Aufbereitung der vorhandenen Informationen zur Gefahrenlage überschritten.

Mindestens viele Maßnahmen waren deshalb verfassungswidrig.

In der Rechtsprechung fehlte es am Willen, die von Verfassungs wegen gebotenen Konsequenzen zu ziehen.

So standen wir schutzlos dar.

https://www.duden.de/rechtschreibung/Verfehlung
https://www.duden.de/rechtschreibung/Fehler
https://www.welt.de/debatte/kommentare/plus250915408/Pandemie-Die-Grenzen-der-Corona-Aufarbeitung.html
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/bvg21-101.html
https://www.bverfg.de/e/rs20211119_1bvr078121.html
https://www.zeit.de/gesundheit/2021-11/lothar-wieler-corona-impfung-rki-interview
https://www.faz.net/aktuell/wissen/wie-wird-geprueft-was-die-corona-massnahmen-gebracht-haben-18132533.html
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/S/Sachverstaendigenausschuss/220630_Evaluationsbericht_IFSG_NEU.pdf
(X🔗) @RA_Friede
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