💥Was zeichnet einen liberalen Rechtsstaat aus?💥

Wir kritischen Anwälte, Richter und Staatsanwälte setzen uns für Rechtsstaatlichkeit ein.
Die Form der Rechtsstaatlichkeit wird dabei sehr unterschiedlich gesehen. Rechtsstaatlichkeit bedeutet zuvorderst, dass die Rechtsprechung eingesetzt ist, um zwischen Privaten Rechtsfrieden herzustellen und im Verhältnis zwischen Staatsmacht und Bürger darauf achtet, dass die Grundrechte des Einzelnen geachtet und durchgesetzt werden. Gerichte müssen zwingend völlig unabhängig von den anderen Staatsgewalten (Parlament und Verwaltung) den Bürger vor Machtüberschreitung dieser Gewalten schützen.
Die Gerichte haben die Interessen der Bürger zu vertreten und Eingriffe in die Interessen der Bürger abzuwehren, wenn nicht die eingreifende Staatsgewalt einen unausweichlich notwendigen Rechtfertigungsgrund vorbringen kann. Die Basis unserer Gesellschaft ist nämlich, dass wir die Staatsgewalt an Repräsentanten verliehen haben, die diese Macht aber nur im Rahmen der von uns als Gesellschaft zugestandenen Machtbefugnisse ausüben darf. Machtbefugnisse, die wir nicht übertragen haben, dürfen von der Staatsgewalt per se nicht angetastet werden. Als Gesellschaft haben wir die Rechtsprechung dafür eingesetzt, diesen Erlaubnisrahmen zu überwachen. Das ist ein liberales Staatsverständnis. Der Einzelne akzeptiert Beschränkungen in der Gemeinschaft, erfährt durch die Gesellschaft Solidarität und gewährt diese umgekehrt.

Offensichtlich ist mit der Zeit dieses Staatsverständnis abhandengekommen und die Inhaber der Staatsgewalt halten in einer Art Corpsgeist zusammen, die ein "Wir" gegen "Die" entstehen lässt. Es entsteht eine Herrschaft und ein Herrschaftsverhalten, das sich von der Gründungsidee der Gemeinschaft immer weiter entfernt.
Ich erlebe immer wieder Richterinnen und Richter, die mit einer unsäglichen Arroganz von oben herab Menschen wie Untertanen behandeln. Wir sind aber keine Untertanen. Auch vor Gericht gilt die "rule of law". Jeder Angeklagte hat das Recht zuvorkommend, freundlich und wie ein gleichwürdiger Staatsbürger behandelt zu werden. Die Sanktion ist der Spruch des Gerichts und nicht die Art, wie das Gericht den Angeklagten behandelt.
Ich habe gerade ein Beispiel aus Augsburg, bei dem der Angeklagte einer absoluten Bagatellstraftat (Versammlungsrecht) um Terminverschiebung gebeten hat, weil er am Verhandlungstag mit seinen Kindern im Sommerurlaub ist. Die Richteirin hat den Terminsverlegungsantrag ohne Begründung abgelehnt. Ich habe dagegen Beschwerde eingelegt und erklärt, dass es sich um einen Bagatellvorwurf handelt, der Angeklagte 600 Kilometer mit der Bahn zu seinem Heimatamtsgericht anreisen müsste, um dann wieder 600 Kilometer zurückzufahren für eine Verhandlung, die weder kompliziert noch umfangreicht ist. Hier kommt das Staatsverständnis ins Spiel. Bei Bürgern auf Augenhöhe würde das Gericht den Termin schlicht verschieben und sagen, auf eine Woche kommt es nicht an. Stattdessen wird angeordnet, dass der Angeklagte zu erscheinen habe, die Richterin habe das Anordnungsrecht und der Angeklagte habe sich gefälligst zu fügen.
Welchen Respekt soll der Angeklagte, der höchstwahrscheinlich freigesprochen wird, vor einem solchen Gericht noch haben? Welchen Respekt sollte ein Staatsbürger vor einer Staatsmacht haben, die wegen einer solchen Banalität ein Oben und Unten kreiert, das bereits vor der Verhandlung an der Rechtschaffenheit der Richterin zweifeln lässt. Mit solchem Verhalten, mit sinnlosen aber schadenstiften Machtspielen delegitimiert sich der Staat selbst. Es sind genau diese kleinen Umgangsformen, die den Unterschied zwischen Herrschaftsmacht und repräsentativer Staatsgewalt ausmachen. Richterinnen und Richter, denen ihre Rolle als Repräsentanten eines liberalen Rechtsstaats, der jedem Menschen respektvoll gegenübertritt, nicht verstehen, zerstören nachhaltig das Vertrauen in die Gemeinschaft. Die Richterinnen und Richter sind - ob sie es wollen oder nicht - das Gesicht des jeweiligen Staatsverständnisses.

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