Sebastian Heinzel - Film & Prozessarbeit
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Die Kirche von Nago

Diese Dörfer sind arm und klein;
du kommst nirgends hinaus und hinein,
nur ein paar Hütten, die dir begegnen
mitten im Mai.
Willst du sie segnen?
Sie sind schon vorbei.
Aber vor dir die Kirche steht
ragend im Abend höher oben
als hätte die Erde selber gehoben
aus kleinen Hütten ein großes Gebet.
Aber es muß schon lange sein
seit dies geschah:
vom Kreuzturm stürzte die Stange ein,
die Glocke schlief überm Klange ein -
niemand war da.
Haben im Dorf wohl das Beten vergessen -
oder beten sie anderswo?
Sie denken: ohne die teuern Messen
geht das Sterben auch so.
Und lassen es über die Reben regnen
und lassen es über die Rosen scheinen
und vergessen das Lachen und kennen kein Weinen
und sind doch die Deinen:
Willst du sie segnen?

Du willst erst in deiner Kirche ruhn
und dann zurück zu den seltsam Frommen
hell von dämmernden Hängen kommen
und Wunder tun.
Weißt du schon, wie du dann ihr Weh
wirst bedenken?
Wirst du die Jungen aus den Gesenken
noch vor Tag auf den Hügel lenken
und von dort ihrem Schauen schenken
den Gardasee?
Wirst du die Berge gleich Riesenpfühlen
näher rücken um dieses Tal,
daß die Alten mit einem Mal
sich heimlicher fühlen?
Denn du hast Mächte und Möglichkeiten
und die Dinge, die du rufst
werden dich wie einen König begleiten
und dir willige Brücken breiten
über die Meere, die du schufst. -
Aber heute bist du schon matt. Und dein Kleid
ist bestaubt.
Staubig dein Haupt.
Kommst du von weit?

Er sagt: "Mein Weg ist von Meer zu Meer.
Ich bin her
aus dem fernen Gestern
gekommen.
Und weiß nicht wie.
Meine Leiden, die weißen Schwestern
haben mich in die Mitte genommen...
Jetzt weinen sie."
Er schwieg.
Und ich hörte sie wirklich weinen
und sah, wie er zwischen steilen Steinen
langsam zu seiner Kirche stieg.
So war kein Sieg.
Das war die Heimkehr eines Ermatteten,
der viel geirrt,
und niemehr Hirt
und dunkel aller Beschatteten
Bruder wird.
Aber noch steht ihm das Haus,
in welches ihr Beten
lange alle die Armen gebracht;
und wenn er es findet, wird es ihm Macht,
und er wird wie im Traum im fürstlicher Tracht
erwacht
nach raschem Ruhn
heraus
aus Trümmern treten
und Wunder tun.

Der Müde oben tritt tastend ein.
Die Kirche ist schwarz, und das Dunkel ist klein
und wird erst langsam den Blicken weit.
Der Einsame bringt die Ewigkeit
mit in die Mauern und breitet sie aus
mit segnenden Händen -
Da durchweht von den Wänden
lebendige Wärme das Haus.
Und jetzt erst erkennt er: die Kirche log.
Wo der Altar war, da ist neu
eine Krippe gezimmert: Scheu
umdrängen drei Kühe den Trog,
und heufeucht duftet die Streu.
Und die Ewigkeit, die er ausgespannt,
reicht nicht einmal von Wand zu Wand,
wird eine ängstliche Ewigkeit:
denn das Land ist breit.
Und der Bleiche bleibt einsam an seinem Rand,
bleibt knien.
Und es weht wie aus einer Wiege warm
um ihn.
Und er ist wie ein König aus Morgenland -
nur ganz arm.

Rainer Maria Rilke (aus: Christus-Visionen)

A Rilke A Day #28 - Jeden Tag ein Gedicht und ein Bild
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👆Heute schicke ich Euch ein langes Gedicht aus den Christus-Visionen von Rilke, aus dem ich gestern bereits einen Ausschnitt gewählt habe. Zum besseren Verständnis hier der ganze Text, der sehr komplex, tiefgehend und schwer zu verstehen ist. Gerade deshalb spricht er mich an und ich teile ihn mit Euch, weil er gut in diese (Jahres-) Zeit passt. Das Bild dazu schicke ich aufgrund der Textlänge separat mit diesem Post. Viel Freude beim Enträtseln dieser Zeilen und schreib gern in die Kommentare, wenn Du Dir einen Reim darauf machen kannst.
Die hohen Tannen atmen heiser
im Winterschnee, und bauschiger
schmiegt sich sein Glanz um alle Reiser.
Die weißen Wege werden leiser,
die trauten Stuben lauschiger.

Da singt die Uhr, die Kinder zittern:
Im grünen Ofen kracht ein Scheit
und stürzt in lichten Lohgewittern, –
und draußen wächst im Flockenflittern
der weiße Tag zur Ewigkeit.

Rainer Maria Rilke

A Rilke A Day #29 - Jeden Tag ein Gedicht und ein Bild
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Es gibt so wunderweiße Nächte,
drin alle Dinge Silber sind.
Da schimmert mancher Stern so lind,
als ob er fromme Hirten brächte
zu einem neuen Jesuskind.

Weit wie mit dichtem Diamantstaube
bestreut, erscheinen Flur und Flut,
und in die Herzen, traumgemut,
steigt ein kapellenloser Glaube,
der leise seine Wunder tut.

Rainer Maria Rilke

A Rilke A Day #30 - Jeden Tag ein Gedicht und ein Bild
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An das Stillende hinaufgekehrt,
hab ich mich zur heilen Nacht entschlossen,
meine Sinne sind mir abgeflossen
und das Herz ist namenlos vermehrt.

Rainer Maria Rilke, Ende 1913, Paris

A Rilke A Day #31 - Jeden Tag ein Gedicht und ein Bild
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Mit dem heutigen Gedicht beende ich meine täglichen Rilke-Impulse - etwas früher als geplant, weil ich mir mehr Zeit nehmen will für mich und meine Familie.

Heute ist Wintersonnenwende. Ab jetzt werden die Tage wieder heller. Ich wünsche Dir eine stimmige Weihnachtszeit und einen inspirierenden Übergang in das Neue Jahr!

Eingang

Wer du auch seist: am Abend tritt hinaus
aus deiner Stube, drin du alles weißt;
als letztes vor der Ferne liegt dein Haus:
wer du auch seist.
Mit deinen Augen, welche müde kaum
von der verbrauchten Schwelle sich befrein,
hebst du ganz langsam einen schwarzen Baum
und stellst ihn vor den Himmel: schlank, allein.
Und hast die Welt gemacht. Und sie ist groß
und wie ein Wort, das noch im Schweigen reift.
Und wie dein Wille ihren Sinn begreift,
lassen sie deine Augen zärtlich los...

Rainer Maria Rilke, 24.2.1900, Berlin

A Rilke A Day #32
Du findest alle erschienenen Gedichte und Bilder auf meiner Webseite: https://heinzelfilm.de/A-RILKE-A-DAY
In der neuen Zauberklang-Folge zeigen wir das rituelle Silvester-Chlausen, einen eindrücklichen und einfallsreichen Winter-Brauch aus dem Appenzeller Hinterland. Am alten (13. Januar) und am neuen (31. Dezember) Silvestertag ziehen die „Chläuse“, die hauptsächlich Männer sind, bunt verkleidet und mit lauten Schellen und Rasseln durch die Straßen der Gemeinden, um allen ein gutes neues Jahr zu wünschen. Mit Peter Roth und Hans Höhener waren wir auf dem Hausberg der Region, dem Säntis und im Brauchtums-Museum in Urnäsch, um über die Besonderheiten der Rituale in der Region zu sprechen. Mit diesen Ausschnitten wünsche ich Euch einen guten Übergang in das Neue Jahr!
https://vimeo.com/784725966
Ich bin ein Mann - wow! Männerarbeit.
https://youtu.be/hqxUuQqhuoU

"Wir haben in unserer Zeit als Männer keine Vorbilder mehr", sagt Andreas Eggebrecht, der seit 20 Jahren Männergruppen in Freiburg leitet. Er bietet Räume an, in denen sich Männer öffnen können und eine neue Ausrichtung für sich finden. Über ein Jahr war ich Teilnehmer einer seiner Gruppen. In meinem Film spricht er mit einer Frau darüber, warum ein Mann am besten in seine Kraft kommt, wenn er unter Männern ist.

Im Frühjahr 2023 plane ich einen gemeinsamen Wochenend-Workshop für Männer mit Andreas im Schwarzwald anzubieten. Wenn Du Interesse hast daran teilzunehmen, schreib mir: [email protected]

Mit Andreas Eggebrecht: http://www.empowerman.de
Ein Film von Sebastian Heinzel: http://www.heinzelfilm.de
Mitwirkung/Interview: Antonia Ehrhart: http://www.antonia-wow.de

👉 Teil den Beitrag gerne, wenn Dir das Thema ein Anliegen ist!
Ein Rilke zum Neujahr...

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.

Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,
und ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm
oder ein großer Gesang.

Rainer Maria Rilke, 20.9.1899, Berlin-Schmargendorf

A Rilke A Day #33 - Je ein Gedicht und ein Bild
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Ich liebe meines Wesens Dunkelstunden,
in welchen meine Sinne sich vertiefen;
in ihnen hab ich, wie in alten Briefen,
mein täglich Leben schon gelebt gefunden
und wie Legende weit und überwunden.

Aus ihnen kommt mir Wissen, dass ich Raum
zu einem zweiten zeitlos breiten Leben habe.
Und manchmal bin ich wie der Baum,
der, reif und rauschend, über einem Grabe
den Traum erfüllt, den der vergangne Knabe
(um den sich seine warmen Wurzeln drängen)
verlor in Traurigkeiten und Gesängen.


Rainer Maria Rilke, 22.9.1899, Berlin-Schmargendorf

A Rilke A Day #34 - Je ein Gedicht und ein Bild
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Kamera- und Tonmann-/frau gesucht!
Eine Klientin von mir, eine amerikanische Filmemacherin mit deutschen Wurzeln, die im Februar nach Berlin kommt, sucht nach einem Kamera- und Tonmann/-frau für ihren Dokumentarfilm. Es geht um ihre amerikanisch-deutsche Familiengeschichte und transgenerationales Trauma. Hat jemand eine Empfehlung in Berlin für die Mitwirkung bei ihrem Filmprojekt? Beide sollten gut Englisch sprechen können. Das Projekt ist bezahlt. Bitte bei mir melden: [email protected]
Liebe Grüße,
Sebastian
Gott spricht zu jedem nur, eh er ihn macht,
dann geht er schweigend mit ihm aus der Nacht.
Aber die Worte, eh jeder beginnt,
diese wolkigen Worte, sind:

Von deinen Sinnen hinausgesandt,
geh bis an deiner Sehnsucht Rand;
gieb mir Gewand.
Hinter den Dingen wachse als Brand,
dass ihre Schatten, ausgespannt,
immer mich ganz bedecken.

Lass dir Alles geschehn: Schönheit und Schrecken.
Man muss nur gehn: Kein Gefühl ist das fernste.
Lass dich von mir nicht trennen.
Nah ist das Land,
das sie das Leben nennen.

Du wirst es erkennen
an seinem Ernste.

Gieb mir die Hand.

Rainer Maria Rilke (aus: Das Stundenbuch)

A Rilke A Day #35 - Je ein Gedicht und ein Bild
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"Männerarbeit - Worum geht es?" ist der zweite Film, den ich mit Andreas Eggebrecht im letzten Sommer in den Weinbergen des Markgräfler Land gedreht habe. Wir sprechen darüber, welche Wandlung Männer in seinen Gruppen erfahren und welche nachhaltige Auswirkung dies auf ihre Beziehungen, ihre Familien und ihre berufliche Entwicklung hat. Andreas und ich sind gerade in der Planung für einen vertiefenden Sommerworkshop - coming soon!
Hier gehts zum Film 👉 https://youtu.be/t_XAKXZiSlc
Ein bewegendes Porträt eines der berühmtesten und revolutionärsten amerikanischen Dichter des letzten halben Jahrhunderts. Der Film zeigt Robert Blys Entwicklung als Schriftsteller mit einem unerschütterlichen Glauben an die Bedeutung der Poesie sowohl für sein eigenes Leben als auch für die amerikanische Kultur im Allgemeinen.
https://www.pbs.org/video/robert-bly-a-thousand-years-of-joy-38098/
The best thing to learn something is to teach it. (Robert Bly)
Ich möchte Euch gerne das Hörspiel "Geistige Gefangenschaft" von Philine Conrad ans Herz legen. Da von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nur Absagen kamen, hat sie es in Eigenregie aufgenommen und heute veröffentlicht. Die Dialoge sind sehr auf den Punkt und bringen die Absurdität und Unmenschlichkeit der letzten beiden Jahre treffend zum Ausdruck, ohne dass du es allzu konkret wird. Mir gefällt, dass manches angedeutet ist und zugleich ganz klar ist, worum es geht. Ein schönes Plädoyer für die Freiheit des Geistes.
Heute ist hier alles so herrlich mit Puderzucker bedeckt. Wunderschön.
Selbstbildnis aus dem Jahre 1906

Des alten lange adligen Geschlechtes
Feststehendes im Augenbogenbau.
Im Blicke noch der Kindheit Angst und Blau
und Demut da und dort, nicht eines Knechtes
doch eines Dienenden und einer Frau.
Der Mund als Mund gemacht, groß und genau,
nicht überredend, aber ein Gerechtes
Aussagendes. Die Stirne ohne Schlechtes
und gern im Schatten stiller Niederschau.

Das, als Zusammenhang, erst nur geahnt;
noch nie im Leiden oder im Gelingen
zusammgefasst zu dauerndem Durchdringen,
doch so, als wäre mit zerstreuten Dingen
von fern ein Ernstes, Wirkliches geplant.

Rainer Maria Rilke, Frühjahr 1906, Paris

A Rilke A Day #36 - Je ein Gedicht und ein Bild
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